Kategorien
Top-Themen

Arzneimittel-Versorgung in Rheinland-Pfalz gefährdet

Region/Mainz – Bundesgesundheitsminister Lauterbach schafft mit seinem neuen Apothekenreformgesetz die öffentlichen Apotheken ab! – Der nach langer Wartezeit vorgelegte Referentenentwurf zur Apothekenreform spricht eine deutliche Sprache: der Bundesgesundheitsminister möchte die wohnortnahe Versorgung durch heilberuflich geführte Apotheken abschaffen. Die bis dato bekräftigte Aussage der Bundes-SPD, keine Leistungskürzungen vorzunehmen, haben sich damit nicht bewahrheitet. Stattdessen hält Bundesgesundheitsminister Lauterbach an seinen Liberalisierungsplänen fest, die er bereits im Oktober 2023 in seinem Eckpunktepapier publiziert hat. Neben Apotheken ohne Apothekerinnen und Apothekern sieht der Referentenentwurf anstatt einer Erhöhung nur eine Umverteilung des apothekerlichen Honorars vor. Ebenso sollen abgespeckte Zweigapotheken die Versorgung in weniger dicht besiedelten Gebieten sichern.

„Die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung getätigte Aussage, man wolle die Apotheken vor Ort stärken, hat sich mit diesem Referentenentwurf vollkommen ins Gegenteil verkehrt. Die bestehende Versorgungslandschaft wird entprofessionalisiert und destabilisiert, d. h. dass die bewährte und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die Vor-Ort-Apotheken nicht mehr flächendeckend möglich sein wird“, mahnt Peter Stahl, Kammerpräsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. Der vorliegende Referentenentwurf zum Apothekenreformgesetz sieht vor, zukünftig Apotheken ohne Apotheker zu betreiben („Apotheke light“). Dies kommt der Aufgabe des freien Heilberufs des Apothekers und der Selbstständigkeit gleich. Die erfahrenen Pharmazeutisch-technischen-Assistenten (PTA) in den Filialapotheken sollen laut dem Gesetzesentwurf dann ohne die anwesenden approbierten Pharmazeutinnen und Pharmazeuten die Arzneimittelabgabe übernehmen. Die Abgabe von Betäubungsmitteln oder das Anfertigen von individuellen Rezepturen soll zwar weiterhin durch die Apothekerschaft erfolgen, jedoch ist vorgesehen, dass Apotheker nur noch 8 Stunden in der Woche in der öffentlichen Apotheke anwesend sein müssen. Für die Patientinnen und Patienten bringen diese Neuregelungen erhebliche Einschränkungen mit sich, da die Leistungen nur noch in den begrenzten Anwesenheitszeiten der Apothekerinnen und Apotheker verfügbar sind.

Dass der Apothekerberuf zukünftig durch den Ausbildungsberuf der PTA ersetzt werden soll, um damit Kosten zu sparen, widerspricht dem Berufsethos und ist perfide. Weiteres Einsparpotenzial sieht Lauterbach auch bei den Öffnungszeiten von Apotheken. Kürzere Öffnungszeiten und die damit verbundenen Einsparungen bei den Gehältern der Angestellten würden laut Bundesgesundheitsministerium eine Ersparnis von jährlich 11,4 Millionen Euro bewirken. „Es ist absolut inakzeptabel, dass ein sozialdemokratisch geführtes Ministerium plant, die Gehälter der Angestellten in Apotheken zu kürzen, um Einsparungen zu erzielen. Es zeugt nicht nur von einer eklatanten Missachtung des pharmazeutischen Berufsstandes, sondern führt auch zu erheblichen Qualitätseinbußen der bestehenden Arzneimittelversorgung“, kritisiert Thomas Christmann, der Vizepräsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben: Laut der jüngsten Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit gehören Apotheker und PTA zu den vom Fachkräftemangel besonders betroffenen „Engpassberufen“.

Und auch das seit über 10 Jahren nicht angepasste Apothekerhonorar findet im neuen Referentenentwurf keine Beachtung. Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sagt hierzu: „Der Entwurf sieht keinerlei Anpassung an die massiv gestiegenen Kosten vor, bringt dafür aber kürzere Öffnungszeiten und weniger qualifiziertes Personal ins Spiel“. Bei der Vergütung will Lauterbach das Fixum in zwei Schritten leicht erhöhen: von derzeitig 8,35 Euro auf 8,66 Euro im Jahr 2025 und auf 9 Euro im Jahr 2026. Die Finanzierung dieser Erhöhung wird jedoch durch eine Senkung des prozentualen Zuschlags von 3 Prozent auf 2 Prozent des Apothekeneinkaufspreises (Marktpreises) für Arzneimittel realisiert. Auch diese Umverteilung wird dazu führen, dass viele Apotheken erhebliche Einnahmeverluste erleiden.

Dass die Apothekenreform eine flächendeckende Versorgung nur simuliert und bestehende Strukturen aufweicht, zeigt sich ebenso am Beispiel der Liberalisierung des Filialapothekensystems. Zukünftig soll es nach Ansicht Lauterbachs möglich sein, Filialen auch außerhalb benachbarter Kreise in einem größeren räumlichen Umfang zu betreiben (3 Autostunden von der Hauptapotheke entfernt). Jeder Inhaber darf zukünftig 2 sogenannte Zweigapotheken eröffnen. Diese fungieren hierbei als preisgünstige Arzneimittelabgabestellen ohne eigene Rezeptur oder pharmazeutisch geschultes Personal. Vor allem im ländlichen Bereich stellen diese neuen „billigen“ Zweigapotheken, die in direkter Nachbarschaft zu heimischen Hauptapotheken eröffnet werden können, eine nicht zu überwindende Konkurrenz dar. Viele kostenintensive Hauptapotheken mit pharmazeutischem Personal und eigener Rezeptur auf dem Land wären so dem finanziellen Untergang geweiht. Vielerorts wird es dadurch mittel- und langfristig keine Vor-Ort-Apotheken mehr geben, die die Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung sicherstellen. Ebenso werden viele Beschäftigte ihren wohnortnahen Arbeitsplatz verlieren.

„Dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach seine Reformpläne der Apothekerschaft und deren Standesvertretung zunächst nicht direkt zugestellt hat, sondern diese über eine große deutsche Tageszeitung mitteilen ließ, offenbart seine völlige Missachtung und Respektlosigkeit uns gegenüber. Angebote zu einem konstruktiven Austausch zwischen Bundesgesundheitsministerium und der Apothekerschaft hat es zu Genüge gegeben, unter anderem auch vonseiten der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. Diese Angebote waren dem Minister nicht einmal eine Antwort wert. Dies spricht alles eine klare Sprache“, betont Stahl.

Auf politischer Landesebene zeigt sich dagegen ein ganz anderes Bild. Die Gesundheitsminister-innen und -minister der Bundesländer lehnen die Pläne von Karl Lauterbach zur Apothekenreform ab. Auf der Gesundheitsministerkonferenz in Travemünde (13./14. Juni 2024) forderten sie stattdessen die Umsetzung des GMK-Beschlusses (5./6. Juli 2023) zur Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch Einführung neuer Finanzierungskonzepte für Apotheken. „Die persönliche, fachkundige Medikationsberatung durch approbierte Apothekerinnen und Apotheker trägt wesentlich zur Therapietreue, zur Anwendungssicherheit und damit zum Therapieerfolg bei. Sie leistet einen wertvollen Beitrag bei der angespannten Arzneimittel-versorgungslage“, heißt es in dem Abschlussdokument. Man bittet die Bundesregierung daher schnellstmöglich die „erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen“, um noch vorhandene Apotheken in ihren Strukturen zu stärken und wirtschaftlich zu stabilisieren und „Eingriffe mit massiven negativen Auswirkungen auf das Apothekennetz“ zu verhindern.

Der Referentenentwurf wurde mittlerweile offiziell versandt; zusammen mit einer Einladung zur mündlichen Anhörung am 25. Juni. Laut Kabinettszeitplanung soll das Apothekenreformgesetz am 17. Juli im Bundeskabinett besprochen werden. Das Gesetz soll laut Entwurf am Tag nach Veröffentlichung in Kraft treten.